Ungarn und seine Hunde

Wir werden immer wieder von den neuen Besitzern unserer ehemaligen Schützlinge gefragt, ob man etwas über das Leben dieses Hundes weiß. Da fast alle Hunde, die ins Tierheim kommen, Fundhunde sind, ist es in den meisten Fällen nicht möglich etwas zur Vorgeschichte sagen zu können.
Im Folgenden möchten wir einmal einen kleinen Einblick geben, wie ein Hundeleben in Ungarn aussieht.

 

Obwohl in Ungarn der Tourismus wächst, lebt der Großteil der Bevökerung in Armut. Insbesondere auf dem Land kämpfen die Menschen ums eigene Überleben. Da bleibt nicht viel Sinn für Tierschutz und das damit verbundene Wohlergehen der Hunde. Die Menschen haben nichts übrig für die medizinische Versorgung oder artgerechte Ernährung, geschweige denn eine Kastration ihrer Hunde oder Katzen. Ketten- oder Tonnenhunde gehören zum normalen Alltagsbild. Oft werden sie schon als Welpe irgendwo angekettet, werden größer und fristen so ihr klägliches Dasein. Die Menschen machen sich nicht einmal die Mühe nachzuschauen, ob das Halsband oder die Kette um ihren Hals zu eng geworden ist, bis diese schließlich einwächst und der arme Hund unter Schmerzen leidet. Wenn dann der Mensch auch noch selbst wenig zu essen hat, bleiben für die Hunde nur die Abfälle und eingeweichtes Brot. All diese Hunde haben eine Aufgabe zu erfüllen. Sie werden als Wachhund genutzt und sollen anzeigen, wenn jemand den Hof oder das Gelände betritt.

Selbstverständlich gibt es auch einige wenige Hunde, die das Glück haben, frei auf dem Gelände laufen zu dürfen und eine Hundehütte ihr Eigen nennen oder in den Stall dürfen. Man muß sagen, dass die meisten Hunde in Ungarn grundsätzlich draussen als Hofhund leben. Auch die ganz kleinen Hunde! Bei unseren Fahrten nach Ungarn sehen wir oft auf den Höfen oder Grundstücken kleine Dackelmixe und sogar Rassehunde, wie z.B. Bassethounds oder Beagles.

Natürlich muß erwähnt werden, dass man in den größeren Städten allerdings auch Menschen sieht, die mit ihren Hunden an der Leine spazieren gehen. Hier kann man davon ausgehen, dass diese Vierbeiner das ganz große Glück haben geliebt zu werden und mit in der Wohnung oder dem Haus leben dürfen. Je weiter man aufs Land fährt ändert sich das Bild jedoch schlagartig.

Insbesondere der älteren Generation fehlt das Verständnis für das Wohl der Tiere. Die Hunde wurden seit Generation so gehalten und der Mensch sieht nichts Verwerfliches darin.

Ebenso normal ist die "Entsorgung" nicht mehr "gebrauchter" (z.B. älterer oder kranker Tiere) oder unerwünschter Hunde (z.B. Welpen). Man entledigt sich durch Aussetzen, Aufhängen, Erschlagen oder einfach Verhungern lassen. Welpen aber auch erwachsene Tiere werden oft aus fahrenden Autos geworfen und ihrem Schicksal überlassen. Die zumeist verletzten Tiere, die dann doch rechtzeitig gefunden und ins Tierheim gebracht werden, haben im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal Glück gehabt.
Eine weitere Möglichkeit der "Entsorgung" sind die Tötungsstationen. Von diesen gibt es ca. 80 Stück in Ungarn. (diese Zahl kann nur geschätzt werden, da es ebenfalls viele ganz kleine privatbetriebene Tötungen gibt und die ungarische Regierung keine genauen Zahlen veröffentlicht). Hier werden die, vom staatich bestellten Hundefänger bzw. Abdecker, eingefangenen Fundhunde bis zu deren Tötung untergebracht. Auch Privatpersonen können ihre eigenen nicht mehr erwünschten Hunde und Katzen in solchen Stationen abgeben.

Diese Tiere haben in den meisten Fällen eine Verweildauer von 14 Tagen bis zu ihrer Tötung. Da die meisten Tötungsanlagen private Einrichtungen sind, geht es wie in jedem "Unternehmen" lediglich um Profit. Obwohl nach dem ungarischen Tierschutzgesetz die Tötung eines Wirbeltieres "human", d.h. mit Narkose vorweg erfolgen soll und die Betreiber der Tötungen von den Städten dafür Gelder zur Verfügung gestellt bekommen, sieht die Realität ganz anders aus. Es gibt keine staatliche Kontrollinstanz und damit kümmert es am Ende niemanden wie die Hunde oder Katzen in solchen Anlagen schließlich untergebracht sind bzw. versorgt und dann getötet werden. Die Tiere sind der Willkür der Betreiber vollkommen ausgeliefert. Diese können nach eigenem Ermessen mit den Hunden oder Katzen umgehen. Oft werden die Tiere in winzige dreckige Käfige gesteckt und nur wenig und unregelmäßig versorgt. Um das Geld für eine humane Einschläferung zu sparen, werden sie nach ihrer "Galgenfrist" erhängt, erschlagen, erschossen, in Erdlöcher geworfen, in denen sie sich vor Hunger und Durst gegenseitig totbeissen oder mit dem Nervengift T61 ohne Narkose vorweg, unter schlimmsten Qualen, ermordet.

Es gibt jedoch ein wenig Hoffnung für die Zukunft. Gerade in der jüngeren und modernen Generation findet ein Wandel statt. Diesen zu fördert ist enorm wichtig, denn er bedeutet eine bessere Zukunft für die Tiere in Ungarn. Vor diesem Hintergrund sind die ungarischen Tierschützer stets bemüht Aufklärung zu betreiben. Man besucht mit Tieren aus dem Tierheim Kindergärten und Grundschulen. Es finden Kindertage statt und man betreibt mit Hilfe von Infoständen und Veranstaltungen Aufklärung in der Bevölkerung. Mit diesen Aktivitäten wird versucht die nächste Generation zu sensibilisieren. Gerade die Kinder und jungen Menschen sollen lernen mit Tieren respektvoll umzugehen und sie sollen verstehen, dass Tiere Bedürfnisse haben und, genau wie der Mensch, Schmerz und Leid empfinden.

In Ungarn steckt der Tierschutz zwar noch in den "Kinderschuhen", aber es ist bereits eine positive Entwicklung zu erkennen. Aus diesem Grund ist die Hilfe aus dem Ausland so wichtig. Obwohl es immer mehr Menschen gibt, die sich in ihrem eigenen Land für die Tiere einsetzen, ist man aufgrund fehlender finanzieller Mittel zu vielen tierschutzrelevanten Vorhaben nicht in der Lage. Insbesondere für ausreichende medizinische Versorgung als auch für die so enorm wichtigen Kastrationen fehlen meistens die Gelder. Jeder noch so kleine Geldbetrag hilft und jedes mitunter auch nach Deutschland vermittelte Tier schafft im Tierheim Platz für ein anderes, sich in Not befindliches, Tier. Gleichzeitig bekommen die Tierschützer damit den "Freiraum", den sie für ihr weiteres Agieren so sehr benötigen. 

Abschließend möchten wir noch ein weiteres großes Problem erwähnen. Dieses stellen die vielen Vermehrer in Ungarn dar. Es gibt nach wie vor Hundemärkte auf denen Welpen aller Rassen aus dem Kofferraum oder Pappkarton zu Dumpingpreisen angeboten werden. Dies auch über das Internet mittunter nach Deutschland. Jeder hiesige Hundeinteressent, der übers Internet einen Rassehund mit Papieren für 250,- Euro kauft, sollte sich darüber bewußt sein, dass die Elterntiere dieses Welpen ein Leben lang leiden. Jeder, der sich für solch einen Welpen entscheidet, unterstützt das Tierelend und ist für das Leid der Tiere im Ausland direkt mitverantwortlich. Die Nachfrage bestimmt immer das Angebot!

Zuchtanlage eines Vermehrers
Zuchtanlage eines Vermehrers